Nachtgedanken

(Abdruck aus: Eva Zippel; Angelika Fellmer (Redaktion); Carola M. Hoehne (Redaktion): Geschriebenes. Nachtgedanken, Erzählungen, Literarische Skizzen, Stuttgart 2011)

 

Ich bin oftmals das Objekt positiver Vorurteile. Im Hochbauamt wurden mir Kenntnisse zugesprochen, die ich mir erst mühsam aneignen musste. Meine Pariser Freunde schätzen meine Schlagfertigkeit, nur weil ich ihre intellektuellen Höhenflüge mit schwäbischer Nüchternheit auf den Boden zurückhole. Was eher an meiner Schwerfälligkeit liegt, in einem anderen Kulturkreis aber überrascht.

 

Ich habe mir nie etwas aus Märchen gemacht. Mag sich der Frosch in einen Prinzen verwandeln – wer weiß, ob damit viel gewonnen ist. Lieber sind mir Berichte wie dieser: „Als der zum Tode verurteilte Marquis zur Hinrichtung abgeführt werden sollte, las er in einem Buch. ‚Marquis, es ist so weit.’ Der Mann blickte auf, legte ein Zeichen in die Seiten, klappte das Buch zu und schritt zum Schafott.“

 

Bei meinem Verhalten und meinen Entscheidungen habe ich selten Rücksicht auf meine Gefühle genommen, woraus oft geschlossen wurde, dass ich keine habe. Das schafft Luft.

 

Ich kenne keine Eifersucht. Mancher wird es mir als Unfähigkeit zu lieben deuten. Darüber will ich nicht streiten. Ich stelle nur fest, dass ich für einen anderen niemals alles bedeuten will. Wenn ich ihm etwas bedeute, bin ich zufrieden, alles wäre mir zuviel.

 

Ironie und Arroganz, zwei Ausdrucksformen, die mich immer angezogen haben, obwohl ich meist ihr Opfer war. Was ich an André Gide schätzte, ist seine mit Intelligenz gepaarte Arroganz: „Je ne pardonne pas, j 'oublie.“

 

Aufgrund flüchtiger Begegnungen habe ich oft in Gedanken die besten Gespräche geführt und Freundschaften erlebt, die einem Wiedersehen nicht standgehalten haben.

 

Seit ich die Möglichkeit habe, jederzeit nach Paris zu fahren und mein Aufenthalt dort kein unerfüllbarer Traum mehr ist, bin ich gern in Stuttgart.

 

Im Gespräch gelingt mir manchmal ein treffender Satz. Ich bin versucht, ihn zu wiederholen. Schon ist er entwertet und wird zum Geschwätz.

 

Alleinsein ist eine Gnade, solange ich jederzeit den Telefonhörer abnehmen und einen guten Freund erreichen kann. Wann war ich zum letzten Mal im Kino, im Theater, im Konzert? Ich kann das alles entbehren, weil ich es jederzeit haben kann. Fasten und Hungern ist eben nicht dasselbe.

 

Ich habe lange Zeit geglaubt, dass Liebe und Freundschaft miteinander zu verbinden seien. Es war eine Illusion. Und wie bei allen Wunschträumen habe ich das Fehlende in der Phantasie kompensiert.

 

Nur in der Kunst sind Eros und Logos zu vereinen.

 

Ich sammle ein, was mir auffällt. Ich sammle Sätze, die gesagt wurden oder solche, die hätten gesagt werden können, wenn sich die Sprache eingestellt hätte. Ich halte ein Bild fest, das sich für Nichtsagbares anbietet, anstatt Tränen, dieser geringe Niederschlag der Trauer, von der ich nicht einmal sagen kann, ob es die eigene ist oder die der anderen.

 

Die Zigarette – ein Ritual. Interpunktion des Tages. Anzünden, einatmen, innehalten. Die Gedanken ziehen lassen, den Zug des Rauchs verfolgen – besinnen. Dann der Entschluß: ein letzter Zug, ausdrücken – und mit gestrecktem Arm zur Tat bereit.

 

 

 

Ich bin oftmals das Objekt positiver Vorurteile. Im Hochbauamt wurden mir Kenntnisse zugesprochen, die ich mir erst mühsam aneignen musste. Meine Pariser Freunde schätzen meine Schlagfertigkeit, nur weil ich ihre intellektuellen Höhenflüge mit schwäbischer Nüchternheit auf den Boden zurückhole. Was eher an meiner Schwerfälligkeit liegt, in einem anderen Kulturkreis aber überrascht.

 

Ich habe mir nie etwas aus Märchen gemacht. Mag sich der Frosch in einen Prinzen verwandeln – wer weiß, ob damit viel gewonnen ist. Lieber sind mir Berichte wie dieser: „Als der zum Tode verurteilte Marquis zur Hinrichtung abgeführt werden sollte, las er in einem Buch. ‚Marquis, es ist so weit.’ Der Mann blickte auf, legte ein Zeichen in die Seiten, klappte das Buch zu und schritt zum Schafott.“

 

Bei meinem Verhalten und meinen Entscheidungen habe ich selten Rücksicht auf meine Gefühle genommen, woraus oft geschlossen wurde, dass ich keine habe. Das schafft Luft.

 

Ich kenne keine Eifersucht. Mancher wird es mir als Unfähigkeit zu lieben deuten. Darüber will ich nicht streiten. Ich stelle nur fest, dass ich für einen anderen niemals alles bedeuten will. Wenn ich ihm etwas bedeute, bin ich zufrieden, alles wäre mir zuviel.

 

Ironie und Arroganz, zwei Ausdrucksformen, die mich immer angezogen haben, obwohl ich meist ihr Opfer war. Was ich an André Gide schätzte, ist seine mit Intelligenz gepaarte Arroganz: „Je ne pardonne pas, j 'oublie.“

 

Aufgrund flüchtiger Begegnungen habe ich oft in Gedanken die besten Gespräche geführt und Freundschaften erlebt, die einem Wiedersehen nicht standgehalten haben.

 

Seit ich die Möglichkeit habe, jederzeit nach Paris zu fahren und mein Aufenthalt dort kein unerfüllbarer Traum mehr ist, bin ich gern in Stuttgart.

 

Im Gespräch gelingt mir manchmal ein treffender Satz. Ich bin versucht, ihn zu wiederholen. Schon ist er entwertet und wird zum Geschwätz.

 

Alleinsein ist eine Gnade, solange ich jederzeit den Telefonhörer abnehmen und einen guten Freund erreichen kann. Wann war ich zum letzten Mal im Kino, im Theater, im Konzert? Ich kann das alles entbehren, weil ich es jederzeit haben kann. Fasten und Hungern ist eben nicht dasselbe.

 

Ich habe lange Zeit geglaubt, dass Liebe und Freundschaft miteinander zu verbinden seien. Es war eine Illusion. Und wie bei allen Wunschträumen habe ich das Fehlende in der Phantasie kompensiert.

 

Nur in der Kunst sind Eros und Logos zu vereinen.

 

Ich sammle ein, was mir auffällt. Ich sammle Sätze, die gesagt wurden oder solche, die hätten gesagt werden können, wenn sich die Sprache eingestellt hätte. Ich halte ein Bild fest, das sich für Nichtsagbares anbietet, anstatt Tränen, dieser geringe Niederschlag der Trauer, von der ich nicht einmal sagen kann, ob es die eigene ist oder die der anderen.

 

Die Zigarette – ein Ritual. Interpunktion des Tages. Anzünden, einatmen, innehalten. Die Gedanken ziehen lassen, den Zug des Rauchs verfolgen – besinnen. Dann der Entschluß: ein letzter Zug,